Der Amtsarzt im ...

Abenteuer eines Amtsarztes
Unglaublich wahre Kurzgeschichten

... Lauf der Zeit

2. Der Katastrophenstart

Im Mai 1988 hatte der neue Amtsarzt den Dienst angetreten. Bis er zur Überbrückung ein kleines Zimmer für sich und später ein Haus für seine große Familie gefunden hatte, musste er auf der Untersuchungsliege im Amt nächtigen. 
Im Juni klappte schon bei der Amtseinführung einiges nicht wie ursprünglich geplant. 
Im Juli ging es weiter. Bei seinem Einstand bot er die klassische Pleiten-, Pech- und Pannen-Inszenierung. Beim Anzapfen trieb er den Zapfhahn samt Dichtung durchs Spundloch ins 50 Liter-Bierfass. Den Rest der Feier verbrachte er übelriechend in nassen Kleidern und mit biergestylten Haaren.
Bei der ersten Gemeindebesichtigung mit dem Herrn Landrat begrüßte er als Kavalier und unerfahrener Behördenleiter noch vor dem Herrn Bürgermeister die einzige weibliche Gestalt, nämlich die Sekretärin, als erste. Dies hatte zur Folge, dass der Herr Landrat bei der nächsten Gemeinde im wahrsten Sinn des Wortes eingriff und den Unbedarften vorsorglich in die ranggemäße Richtung, also gleich hin zum Gemeindevorsteher bugsierte.
Im August war der Amtsarzt im Urlaub. Während dieser Zeit passierte nichts.
Im September erkrankten in einem Schlosshotel im Landkreis 70 Personen an Salmonellose.
Im Oktober löste sich auf der Rückfahrt von einer Fortbildung die hintere rechte Steckachse samt Wagenrad vom Auto der beiden Amtsärzte, sodass sie im Straßengraben landeten.
Im November erreichte der Amtsleiter ein neues Rekordgewicht. Wegen der Wohnungsnot in Garmisch musste er noch immer fern der Familie leben und tröstete sich mit kalorienreicher Fastfoodkost.
Im Dezember erkrankten 22 Patienten in einem Krankenhaus an einer Lebensmittelvergiftung.
Im Januar 1989 zog sich der Amtsarzt einen offenen Trümmerbruch des rechten Mittelfingers zu. Der Gips war noch nicht ab, als - natürlich an einem Sonntag - ein Felssturz das Pumpenhaus der Gemeinde Oberammergau zerstörte und die Wasserversorgung des Passionsspielortes lahm legte.
Und so ging es laufend weiter ...

Kein Wunder, dass eines Tages im Gesundheitsamt folgende vertrauliche Landtagsdrucksache kursierte:

Der Abgeordnete Josef Filser hat im Landtag eine große Anfrage an die bayerische Staatsregierung gerichtet:
Warum treten in letzter Zeit im Landkreis Garmisch-Partenkirchen derartig viele Katastrophen gehäuft auf? Ich nenne hier nur exemplarisch:

Man muss sich nun wirklich fragen, ob die Aufsichtsbehörden von früh bis spät schlafen oder welche anderen Gründe für diesen Massenausbruch an Katastrophen verantwortlich sind.

Die bayerische Staatsregierung antwortet, dass zum 1. Mai 1988 ein neuer Amtsleiter seinen Dienst beim Gesundheitsamt angetreten habe und sämtliche Katastrophen in dessen Amtszeit fallen würden. Es sei erwogen worden, ihn nach Wunsiedel zu versetzen, allerdings habe sich der Landkreis Wunsiedel gegen diese Versetzung ausgesprochen. Andererseits sehe sich die Staatsregierung auch nicht in der Lage, diesen Herrn im Innenministerium zu beschäftigen, da sonst die Katastrophen bayernweit auftreten würden.

(1991)


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