Abenteuer
eines Amtsarztes |
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27. Der Taubenkrieg
Wenn die Taubenplage an einem Ort überhand nimmt, wird das Gesundheitsamt gefragt, was man dagegen tun könne. Bekannt ist, dass unter Umständen verschiedene Krankheitserreger und Parasiten von Tauben auf Mensch und Haustier übertragen werden können. Erwähnt seien insoweit Ornithose, Salmonellose, Listeriose, Milben, Wanzen und Zecken. Feder- und Kotstaub sowie die Zerfallsprodukte der Parasiten können bei Menschen darüber hinaus Allergien hervorrufen. Aber rechtfertigt dies bereits eine Anordnung nach dem Bundes-Seuchengesetz? Wie groß ist die reale Gesundheitsgefahr, wie und in welchem Umfang müssten die Tauben reduziert werden? Und was wäre beispielsweise der Markusplatz in Venedig ohne seine berühmten Tauben? Der Amtsarzt wird sich hier also klugerweise zurückhalten. Wenigstens hat der Gesetzgeber zugelassen, dass über Verordnungen das Füttern von verwilderten Tauben verboten werden kann und Maßnahmen der Gemeinde zur Beseitigung der Nistplätze und Vergrämung zu dulden sind. Wer wird jedoch das arme alte Taubenmutterl mit einer Geldbuße belegen, wenn es dennoch seine Lieblinge mit der kargen Rente füttert? Es gibt weitere Versuche, die Taubenplage einzudämmen oder zumindest besonders gefährdete Gebäude zu schützen. Diese reichen von der Taubenpille oder Ei-Attrappen über Netze, Nägel und Magnetfelder bis hin zu Betäuben, Fangen, Vergiften und Abschießen.
Seinen privaten Taubenkrieg hat der Amtsarzt allerdings verloren. Die folgende Geschichte könnte "2:0 für die Tauben" heißen und wurde in der örtlichen Zeitungsglosse Ägidius Haberer`s Tagebuch vom 18.02.2000 mit "Triumph der Tauben" betitelt:
Genervt vom nächtlichen Gegurre und verschmutzten Hauswänden beschloss der oberste Gesundheitshüter im Landkreis, die ungeliebten gefiederten Hausmitbewohner auszusperren. Er stellte eine Leiter auf den Balkon, lehnte sie an den Dachbalken und tackerte alle Nischen mit Vogelnetz zu. Ausgerechnet bei der letzten Tauben-Zufluchtsstätte rutschte die Leiter ab und der Unglücksrabe stürzte fünf Meter tief auf die Terrasse, wobei er noch die TV-Satellitenschüssel mitnahm. Neben etlichen Prellungen und Schürfwunden zog er sich einen Kniegelenkserguss zu, der zur Ruhigstellung geschient wurde. Dabei hatte er noch Glück im Unglück, wie ihm im Klinikum bedeutet wurde, da üblicherweise bei einem Sturz aus dieser Höhe mindestens das Fersenbein zertrümmert werde. Wieder genesen, nahm er den Kampf erneut auf. Diesmal besorgte er sich beim Nachbarn ein standfestes, fahrbares Baugerüst. Leider fiel beim Hinabklettern die metallene Durchstiegsklappe vorzeitig zu und quetschte ihm drei Finger ein. Das letzte, was er beim Abtransport zum Nähen der klaffenden Wunde sah, waren zwei triumphierende Tauben auf dem Dachfirst. Von Luftgewehr, Pfeil und Bogen oder Blasrohr möchte der Unterlegene absehen, weil es dann vermutlich sogar 3:0 für die Vögel ausgehen könnte.
(2000)