Der Amtsarzt im ...

Abenteuer eines Amtsarztes
Unglaublich wahre Kurzgeschichten

... Lauf der Zeit

23. Journalisten

Als Mann des öffentlichen Lebens ist man einer bestimmten Berufsgruppe ganz besonders ausgeliefert, nämlich den Journalisten. Diese können durch ihre Berichterstattung viel Gutes bewirken, aber auch Schaden anrichten und sogar den Ruf eines Menschen zerstören. Unter diesem Gesichtspunkt lautet also die morgendliche bange Frage des Amtsarztes an seine Zeitung lesende Gemahlin: „Steh ich drin? Und wenn ja, wie?“

Gleich zu Beginn seiner Karriere sah sich der Amtsarzt unberechtigt scharfer Kritik durchs Lokalblatt ausgesetzt. Ein Salmonellose-Ausbruch in einem Schlosshotel war erst mit Verzögerung gemeldet worden. Später beklagte sich der Garmischer Kripochef, dass das Gesundheitsamt seiner Meldepflicht gegenüber der Polizei nicht rechtzeitig nachgekommen und so eine Woche für die Ermittlungen verloren gegangen sei. Ein willkommener Anlass für den Kommentator (der übrigens später Pressesprecher des Landratsamtes wurde), das Gesundheitsamt in die Pfanne zu hauen. Dabei endet die Meldepflicht beim Gesundheitsamt und Seuchenermittlungen sind dessen ureigene Aufgaben. Aufgrund dieser Berichterstattung leitete das Gesundheitsamt nun also brav jeden gemeldeten Brechdurchfall als Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung an die Polizei weiter, bis der von der Anzeigenflut überschwemmte Kripochef schließlich klein beigab.

Das nächste Mal geriet der arme, weil ahnungslose Landrat völlig unschuldig gleich mit ins Rampenlicht. „Landratsamt macht Schotten dicht“ titelte der findige Redakteur und setzte mit seinem Kommentar „Bürgerferner geht’s nicht“ noch eins drauf. Was war geschehen? Ein Mittenwalder Kindergartenkind war an bakterieller Meningitis (eitriger Hirnhautentzündung) erkrankt. Das Gesundheitsamt hatte alles Notwendige veranlasst, z.B. die vorbeugende Behandlung der engsten Kontaktpersonen, Aufklärung der betroffenen Eltern und Information der Haus- und Kinderärzte. Da für die übrige Bevölkerung keine Ansteckungsgefahr bestand, gab es auch keine Notwendigkeit für eine entsprechende Unterrichtung. Der übereifrige Reporter dagegen witterte eine Verschwörung des Landratsamtes und machte „die im schlimmsten Fall sogar tödliche“ Erkrankung publik. Angeblich wollte er durch seine Berichterstattung der Bevölkerung ermöglichen, die notwendigen Schutzmaßnahmen wie bei „Unwetter- oder Hochwasser-Warnungen“ zu treffen. Welche das sein sollten, ließ er allerdings völlig offen. Tatsächlich verursachte er eine vorher nicht vorhandene völlig unnötige Verunsicherung, wie zahlreiche Anrufe beim Gesundheitsamt zeigten. So wollte ein besorgter Vater wissen, ob sich seine Tochter in einer Isartaler Diskothek angesteckt haben könnte (natürlich nicht, weil Kleinkinder dort in der Regel keinen Einlass finden). Ich überlasse dem geneigten Leser das Urteil, wer hier „unsensibel und bürgerfern mit seiner Informationspflicht umgegangen ist.“

Genauso gefährlich wie unsachgemäße Profilierungssucht sind fehlerhafte Recherchen. Unabhängig voneinander war es zu zwei Meningitis-Erkrankungen in Oberau und Murnau gekommen, die erstere leider mit tragischem Ausgang. Verständlich also, dass die Nerven aller Kindergarten-Eltern blank lagen. Da hatte das Gesundheitsamt im Gemeindekindergarten Murnau alles Notwendige veranlasst, auch alle Eltern informiert. In der Zeitung wurde jedoch fälschlicherweise der nicht betroffene kirchliche Kindergarten St. Nikolaus genannt, was eine Reihe empörter Anrufe erboster Eltern nach sich zog.

Jüngstes Beispiel ist die fehlerhafte Berichterstattung über einen Legionellen-Vortrag vor Garmischer Hoteliers. So sprach der Reporter fälschlicherweise von einer hohen Dunkelziffer der an einer Legionellose Verstorbenen (statt Erkrankten) und brachte damit den Amtsarzt bei seinen ärztlichen Kollegen in Misskredit. Und er nannte als Zielwert 10.000 statt 100 koloniebildende Einheiten in 100 ml. Bei der erstgenannten Zahl handelt es sich allerdings schon um den Gefahrenwert, der beispielsweise ein sofortiges Duschverbot nach sich zieht. Natürlich fragten Hausbesitzer nach diesen Zeitungsangaben sich und auch den Amtsarzt, warum sie dann bei lausigen 600 Legionellen schon kostspielige Sanierungsmaßnahmen veranlassen sollten. Wenigstens hat die Ehefrau des Amtsarztes diesen Artikel nicht gelesen, weil ihr schon das unvorteilhafte Foto ihres Mannes nicht gefiel.

Ein anderer Schönheitsfehler war, als aus dem Menschendoktor plötzlich der Amtstierarzt wurde. Zwar hatte der sorgfältig recherchierende Reporter alles richtig gemacht, die Redakteurin dann aber die falsche Bildunterschrift gesetzt. Dies brachte dem Amtsarzt einige spöttische Anrufe eifriger Zeitungsleser ein, aber keinen Protest seines vierbeinigen Kollegen.

(2013)


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