Der Amtsarzt im ...

Abenteuer eines Amtsarztes
Unglaublich wahre Kurzgeschichten

... Lauf der Zeit

24. Lehrer

Lehrer und Sozialpädagogen sind die Lieblingsberufe für den Amtsarzt. Unterstreichen sollen dies zwei kleine Geschichten.

In der ersten wurde der Traum eines jeden Schülers tatsächlich wahr. Aus welchem Grund auch immer (man munkelte von einer Erbschaft) hatte der bei seinen Schutzbefohlenen beliebte und von ihnen mit dem Spitznamen "Manhattan" versehene Pädagoge beschlossen, seine schulische Karriere zu beenden. Zu diesem Behuf übergab er in der Silvesternacht alle Notenheftlein und Prüfungsergebnisse dem gnädigen Wirken des verzehrenden Feuers. Natürlich war der Skandal groß. Erstens musste im Halbjahreszeugnis bei den einschlägigen Fächern der schamvolle Vermerk erscheinen, dass die Leistung nicht ausreichend beurteilt werden konnte, und zweitens tut ein normaler Lehrer so etwas nicht. Und damit sind wir oder besser der Lehrer schon beim Amtsarzt. Aufgrund des Auftretens und der Äußerungen des Gymnasiallehrers blieb ihm nichts anderes übrig, eine neurotische Fehlhaltung, also eine Persönlichkeitsstörung zu attestieren, die Einfluss auf seine Dienstfähigkeit habe. Dies wiederum veranlasste den Dienstvorgesetzten zu einer Frühpensionierung, und in die Schule kehrte wieder Ruhe ein.

Nicht allerdings ins Gesundheitsamt bei unserem zweiten Fall. Ein Rumpeln im Treppenhaus schreckte den Amtsarzt auf. Aufgelöst erschien seine Sekretärin und berichtete, dass der Lehrer Z. mit einer Reckstange auf der Schulter die Stiege herauf käme. An diesem Punkt empfiehlt es sich, die Vorgeschichte einzuflechten. Über zwei Jahre vorher war dem Sportlehrer beim Turnunterricht unglücklicherweise eine Reckstange auf den Kopf gefallen. Dabei hatte er sich eine kleine Platzwunde am Hinterkopf und eine Zerrung der Halswirbelsäule zugezogen. Da weder Bewusstlosigkeit, Erinnerungslücken, Doppelbilder noch Übelkeit oder Erbrechen aufgetreten waren, lagen keine Anhaltspunkte für eine Gehirnerschütterung oder sogar eine schwerere Schädelhirnverletzung vor. Nichtsdestotrotz gewährte die vorgesetzte Behörde dem Lehrer wegen der behaupteten Dienstunfallfolgen, ohne beim Amtsarzt auch nur nachzufragen, 2 Schuljahre lang eine Teilbeurlaubung von 8 Wochenstunden unter Fortgewährung der vollen Dienstbezüge. Erst als der Pädagoge diese Stundenverkürzung für ein drittes Schuljahr beantragte, wurde der Amtsarzt eingeschaltet. Dieser allerdings äußerte kurz und bündig, dass aus ärztlicher Sicht die Folgen aus dem Dienstunfall bereits vor Jahren, nämlich längstens sechs Monate danach, hätten abgeklungen sein müssen. Es läge also aus diesem Schadensereignis kein Grund zu einer Teilbeurlaubung vor. Mit dieser Feststellung war der Lehrer überhaupt nicht einverstanden. Deshalb begab er sich wie eingangs berichtet mit einer Reckstange ins Gesundheitsamt. Auf die überraschte Frage des Amtsarztes, was er denn mit diesem Gerät bei ihm wolle, erhielt er die folgende aufschlussreiche Antwort. Er wolle sie dem Amtsarzt über den Kopf hauen, damit auch dieser begreifen lerne, wie weh das tue!

(1989)


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