Abenteuer
eines Amtsarztes |
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17. Beamte
Mit der folgenden Geschichte möchte der Amtsarzt nachweisen, dass er zumindest für einige Jahresgehälter sein Geld bereits wert war. Seinem beharrlichen Wirken hat es nämlich der Steuerzahler zu verdanken, dass ihm unnötige jahrelange vorzeitige Pensionszahlungen erspart blieben. Zur Untersuchung kam ein 50jähriger Finanzbeamter, der selbst einen Antrag auf vorzeitige Ruhestandsversetzung gestellt hatte. Er litt an Kniegelenksverschleiß und einem sogenannten Wirbelgleiten, das ihm ständige Rückenbeschwerden bescherte. Schon während der Probezeit hatte er deshalb auffällig oft gefehlt, weshalb vor der endgültigen Lebenszeitverbeamtung nochmals eine amtsärztliche Begutachtung veranlasst worden war. Damals hatte einer der Vorgänger des Amtsarztes attestiert, dass mit gehäuften Fehlzeiten nicht zu rechnen sei. Irren ist menschlich. Jedenfalls wollte der Beamte sich nun die restlichen fünfzehn Dienstjahre nicht mehr zumuten. Aufgrund der erhobenen Befunde kam jedoch der Amtsarzt zur gegenteiligen Überzeugung und erklärte ihn für dienstfähig. Schließlich sei dieser als Verwaltungsbeamter mit leichter Schreibtischtätigkeit betraut, noch dazu mit der Möglichkeit, zwischenzeitlich aufzustehen und herumzugehen. Selbstverständlich solle man ihm wegen der bestehenden Leiden das Heben und Tragen schwerer Lasten ersparen. All dies kümmerte den Beamten aber wenig, er erschien wenn überhaupt nur noch stundenweise zum Dienst, ließ sich ansonsten von seinem behandelnden Orthopäden weiter krank schreiben. Schließlich platzte dem Dienstvorgesetzten der Kragen angesichts des Umstands, dass sein Mitarbeiter zwar nicht in der Lage sein sollte, pflichtgemäß Steuerakten zu studieren, wohl aber während der Fehlzeiten beim Tennisspielen, Skilaufen und Segeln gesichtet wurde. Er verlangte deshalb bei jeder akuten Erkrankung ein amtsärztliches Attest. So begann ein Katz-und-Maus-Spiel. Fast täglich erschien der Beamte nach abgebrochenen Arbeitsversuchen im Gesundheitsamt. Eine grundsätzliche Klärung der Angelegenheit musste her. Sie wurde herbeigeführt durch ein vom Gesundheitsamt veranlasstes orthopädisches Fachgutachten. Dieses erklärte klipp und klar, dass dem Beamten trotz der bestehenden Beschwerden sein Dienst zugemutet werden könne. Als die Aussicht auf eine Frühpensionierung endgültig geschwunden war, beantragte unser Steuerverwalter von sich aus die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Seither veranstaltet er im Winter Skirennen und im Sommer Segeltörns in der Ägäis.
Der zweite Fall betrifft einen Justizbeamten beim Amtsgericht. Hier war die interessante Frage zu beurteilen, inwieweit ein Krankgeschriebener privat Arbeiten verrichten kann, die belastender als die Dienstgeschäfte sind. Herr C hatte sich vier Jahre vorher einer Bandscheibenoperation unterziehen müssen. Er war damals für ein halbes Jahr ausgefallen. Danach litt er leider immer wieder unter Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins Bein als Zeichen einer Nervenwurzelreizung. Wegen der gehäuften Fehlzeiten und zuletzt einer längeren Krankschreibung wurde er dem Amtsarzt vorgestellt. Bei dieser Untersuchung zeigte sich eine akute Lumboischialgie, sodass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Orthopäden für eine weitere Woche bestätigt wurde. Zwei Tage später wurde der Beamte jedoch dabei ertappt, wie er während eines Preisschafkopfturniers in der Wirtschaft seiner Frau vier Stunden lang Bier einschenkte und austrug. Gleichzeitig war aber die Krankschreibung vom Orthopäden nochmals um drei Wochen verlängert worden. Die Frage des Dienstvorgesetzten lautete natürlich, ob die Tätigkeit im Gasthaus den Gesundungsverlauf verzögert haben könnte. Der Amtsarzt bejahte dies. Aufgrund allgemeiner ärztlicher Erfahrung könne festgestellt werden, dass bei dem bestehenden Leiden im akuten Stadium das Tragen schwerer Lasten den Heilungsprozess verzögern könne. Nach Abklingen des Beschwerdebildes hingegen könnten kräftigende Übungen der Rückenmuskulatur durchaus förderlich sein, aber in diesem Zustand wäre er dann natürlich auch dienstfähig gewesen.
(1990)