Der Amtsarzt im ...

Abenteuer eines Amtsarztes
Unglaublich wahre Kurzgeschichten

... Lauf der Zeit

16. Bauern

Die Trinkwasserverordnung fordert aus gutem Grund, dass in 100 ml Trinkwasser keine Darmbakterien wie die sogenannten Escherichia coli enthalten sein dürfen. Man will nämlich ausschließen, dass im ungünstigen Fall auch Ausscheidungen mit Krankheitserregern ins Trinkwasser gelangen. Diese Bestimmungen sind der maßgebliche Grund dafür, dass große Seuchen wie Cholera oder Ruhr in unseren Breiten nicht mehr auftreten. Derartige Krankheitsausbrüche sind immer auf eine Verkettung unglücklicher Umstände und Fehler bei Betrieb und Überwachung von Wasserversorgungsanlagen zurückzuführen. Der Trinkwasserverordnung unterliegen auch Einzelgewinnungen wie Einödhöfe und Berghütten. Dies bringt leider immer wieder das Gesundheitsamt in Konflikt mit unverständigen Bauern, die nicht einsehen wollen oder können, dass das seit Jahrhunderten genutzte Quellwasser auf einmal schlecht sein soll. Schließlich seien mit diesem Wasser der Urgroßvater 83 Jahre und der Großvater sogar 88 Jahre alt geworden. Die Trinkwasserverordnung verlangt auch, dass alle Wasserversorger regelmäßig mikrobiologische und in größeren Abständen physikalisch-chemische Untersuchungen veranlassen und die Ergebnisse dem Gesundheitsamt zur Kontrolle vorlegen. Ist das Wasser nicht in Ordnung, muss es gefiltert und desinfiziert werden, was mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist. So muss das Gesundheitsamt leider immer wieder feststellen, dass sich gerade Betreiber von Kleinanlagen vor all diesen Mühen drücken wollen. Dieses Ziel erreichen sie natürlich am ehesten, wenn sie einwandfreie Wasserbefunde ohne bakteriologische Beanstandung vorlegen können.

So saßen eines Tages in der Dorfwirtschaft drei Einödbauern am Stammtisch zusammen. Das Gespräch kam auch auf ihre Wasserversorgungen, ihre Erfahrungen mit dem Gesundheitsamt und wie man diesem entkommen könne. Der erste Landwirt verkündete spitzbübisch, dass seinem Wasser gar nichts fehlen könne, weil er die Probe vor dem Versenden und der Untersuchung im Labor von seiner Frau gebührend abkochen lasse. Der zweite steuerte bei, dass er das gleiche Ergebnis erreiche, indem er der Probe ausgiebig Chlor als Desinfektionsmittel zusetze. Der dritte äußerte verschmitzt, er entnehme die Probe immer vom Wasserhahn im Rathausklo - schließlich müsse das Gemeindewasser in Ordnung sein - und gebe sie als eigene aus. Das Pech unserer drei Bauern war, dass mit dem Rücken zu ihnen am Nebentisch ein Gesundheitsaufseher mit gespitzten Ohren saß. So kam es, dass alle drei schon am nächsten Tag Besuch vom Gesundheitsamt bekamen, das selber Proben zog, die natürlich schlecht ausfielen. Gewisse Dinge sollte man also nicht in der Öffentlichkeit erörtern.

Leider gibt es hierzulande auch uneinsichtige Gemeindeoberhäupter. Jahrzehntelang hatte die Dorfquelle einwandfreies Wasser geliefert. Doch eines Tages war wie aus heiterem Himmel ein Anstieg der Koloniezahlen zu verzeichnen. Diese sind ein Hinweis darauf, ob ein Grundwasser gut im Boden gefiltert oder aber von Oberflächenwasser beeinflusst wird. Anfangs führte man die Erhöhung auf Entnahmefehler oder andere ungünstige Umstände wie lange Transportzeiten zurück. Das Gesundheitsamt wollte der Sache auf den Grund gehen und entnahm nach einem Sommergewitter eigene Proben. Diese zeigten dann wie befürchtet auch die eingangs erwähnten Darmkeime. Irgendetwas im Einzugsbereich der Quelle hatte sich also tatsächlich zu ihren Ungunsten verändert. Eine sofortige Desinfektion des Trinkwassers mit einer vom Gesundheitsamt beschafften Chlorungsanlage war erforderlich. Bis tief in die Nacht unterstützte der Gesundheitsaufseher den Wasserwart bei der Einrichtung und Konzentrationssteuerung. Dabei verätzte der arme Mann sich zu allem Überfluss noch die gute Hose mit der Chlorbleichlauge. Der fürsorgliche Amtsarzt beschaffte Speis und Trank in einer Fastfood-Stube und transportierte die offenen Bierbecher im Fußraum seines Wagens. Wer dies nachvollziehen kann, ist ein guter Autofahrer. Leider blieb es bei dieser einen Belohnung. Von der Gemeinde kam statt Lob für das erfolgreiche Schaffen nur der Vorwurf, das Gesundheitsamt habe hinterfotzig gehandelt, als es ausgerechnet nach einem Wolkenbruch die Wasserversorgung heimsuchte. Dabei entstehen Seuchen meist bei ungünstigen Witterungsbedingungen und selten nach drei Wochen Sonnenschein. Undank ist der Welt Lohn!

Die gleiche Gemeinde unternahm übrigens auch den ungewöhnlichen Versuch, ein Leck in der Wasserleitung mit dem Färbemittel Uranin aufzuspüren. Dieses wurde in den Quellsammelschacht geschüttet in der Hoffnung, es würde im begleitenden Bach wieder zu Tage treten und so das Loch anzeigen. Leider war jedoch ein Absperrschieber undicht mit der Folge, dass im Ort grünes Wasser aus den Hähnen floss. Besorgte Bewohner riefen das Gesundheitsamt auf den Plan, das unverzüglich eine eventuelle gesundheitliche Gefährdung abzuklären hatte. Nach Ansicht des Bürgermeisters sollte „nicht so viel Wirbel um die Sache gemacht werden, die Bürger seien durch frühere Färbeversuche bereits daran gewöhnt und es würden sich ja nur die Personen beschweren, die sowieso als Querulanten bekannt seien..."

 (1993)


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