Der Amtsarzt im ...

Abenteuer eines Amtsarztes
Unglaublich wahre Kurzgeschichten

... Lauf der Zeit

30. Der Traumjob

Wenn man bereits im Alter von 35 Jahren seine Endposition erreicht hat, besteht die berufliche Perspektive eigentlich nur noch darin, die nächsten 30 Dienstjahre bis zur Verleihung des silbernen Ehrentellers des Landkreises und einer letzten Würdigung im Lokalblatt auszusitzen. Natürlich fragt sich der selbstbewusste Amtsarzt (gelegentlich auch das Ministerium), ob er sich nicht zu Höherem berufen fühle. Diese Frage drängt sich vor allem dann wieder auf, wenn ihm seine Kollegen aus dem Amtsarztkurs auf Fortbildungstreffen diskret, aber entschieden ihre frisch gedruckte Visitenkarte mit dem stolzen Titel Leitender Medizinaldirektor oder Ministerialrat zuschieben oder wenn das Haushaltsgeld nicht reicht. Schon nach seiner Weiterbildung hatte der gelernte Allgemeinmediziner die Familie über den Beruf gestellt und Arztpraxis samt entsprechendem Einkommen gegen Gesundheitsamt mit entsprechendem Gehalt getauscht. Ein Aufstieg in höhere und besser dotierte Positionen wäre allerdings mit einem Ortswechsel verbunden. Nun ist aber der Amtsarzt (und vor allem dessen treue und deshalb sesshafte Ehefrau) davon überzeugt, mit Garmisch-Partenkirchen im schönsten Landkreis Bayerns und damit Deutschlands wirken und leben zu dürfen. Diese Einstellung wird natürlich gestärkt auf den dienstlichen Wanderungen zu den 75 Berghütten im grandiosen Wetterstein-, Karwendel-, Ester- und Ammergebirge oder auf den dienstlichen Katamaranfahrten auf dem Staffelsee zur Entnahme von Wasserproben in jeder Badebucht. Besonders in Erinnerung ist dem Amtsarzt jene Episode, als er am idyllischen Seehauser Strandbad vorbei segelte und seine Kinder am Ufer riefen „Papa, komm rüber zu uns!“ und er zur Antwort gab „Geht leider nicht, ich muss doch arbeiten...“. Nach Ansicht seiner Ehefrau darf sich das geliebte Familienoberhaupt selbstverständlich selbst verwirklichen und beruflich Karriere machen, aber eben um den Preis einer mehrstündigen Fahrt jeden Tag oder einer Wochenend-Ehe, wovon der Amtsarzt lieber absehen möchte. Weitere Gründe für einen Verbleib am hiesigen Dienstsitz sind im Sommer die 20 verschiedenen Badeseen und abwechslungsreichen Mountainbikestrecken sowie im Winter die mannigfaltigen Langlaufloipen und Skipisten. Nicht zuletzt trägt zu diesem Entschluss auch die Beobachtung bei, dass seine pubertierenden Kinder, die die ganze Schulwoche kaum aus den Federn kommen, am Wochenende mit ihren Snowboards freiwillig den ersten Zug aufs Platt nehmen oder im Sommer zum Eibsee hinauf radeln. Die besten Argumente hat der Amtsarzt in einer Zeitungsanzeige des Trachten&Modehauses Grasegger gefunden, die hier mit freundlicher Genehmigung wiedergegeben werden:

Wir wünschen Ihnen einen „Schönen Sommer“:
Um den Eibsee wandern und kurz hineinhupfen.
Mit den Kindern zur Sommerrodelbahn am Skistadion.
Schifferl fahren auf dem Ammersee.
Ins Buchheim-Museum nach Bernried.
Kaffeenachmittag an der Gamshütte.
Fischessen im „Stern“.
Ein Abend mit „Kultur im Kaffeehaus“ in Murnau.
Wenigstens am Wochenende in die Biergärten.
Sommerfeste und Bierzelte mit Vernunft genießen.
Die Gäste erst mal zum „Staudacher“, anschließend zum „Fraundorfer“.
Im „Griesbräu“ probieren, wie das hausgemachte Bier schmeckt.
Endlich das Ettaler „Brauerei-Museum“ anschauen.
Zum Plansee radeln.
Sich einen Grillabend am „Panorama“ gönnen.
Ein Sommerfest feiern.
Sich wohl fühlen in den leichten Sommersachen.
Volksmusik hören am Sonntagnachmittag an der Burgruine Werdenfels.
Nächste Woche wird die Oma 70 und feiert im Forsthaus Graseck.
Die Kuhfluchtfälle einmal ganz aus der Nähe betrachten.
Den Tieren im Innsbrucker Alpenzoo zuschauen.
Die Forellen im Badersee zählen.
6 Stunden Wanderung durchs Murnauer Moos – beeindruckend schön.
Nach Habach ins „Village“ und sich von „Racky & Root Bootleg“ oder „Williams Wetsox“ begeistern lassen.
Mit dem Jahrgang zwei Tage auf den Schachen.
Sich den Abend teilen mit einer guten Flasche Wein.
Am Walchensee nach Schatten suchen.
Die Schafe am Stepberg und Hirschbichl – alle ruhen ein bisschen aus.
Zum Erinnern auf d`Glentleiten.
Frühschoppen am „Ähndl“.
Klosterkonzerte in Polling.
Guter Jazz auf Schloss Elmau.
Was ziehen wir da eigentlich an?
Ist eigentlich das Biergartl in Hagen noch offen?
Auf den Wank und durch die „Finz“ nach Wallgau.
Ein ganz ruhiger Tag in den Bucklwiesen am Geroldsee.
Auf die Wettersteinalm wäre es ja auch nicht so weit.
Heut` schaun wir uns mal die junge Jugend im Kainzenbad an.
Der Geheim-Tipp ist die 12er-Karte vom Pflegersee-Strandbad.
Wenn’s regnet, könnte man doch leicht nach Innsbruck fahren.
Heute ist es nicht so heiß – also auf ins „Ludwig II“ - Musical.
Unerkannt mit der Bus-Führung durch Linderhof.
Übers Rotmoos nach Graswang – aber wer holt uns dort ab?
Sieben Quellen oder Blaue Gumpn?
Wenn’s nachher gewittert, mach ma halt daheim Brotzeit.
Eis für alle von der besten Eisdiele von allen.
Gottseidank sind die Schirme dabei – im Gebirg weiß man ja nie.
Und morgen früh in d`Schwammerl.
Hochoffizielle Einladung, her mit dem „besten Gwand“.
Aber heute Abend bleiben wir daheim und setzen uns in den Garten.
Am „Pavillon“ trifft man sich wieder.
„Tauber“, „Racher“, „Hannesla“ – alle leicht zu erreichen.
Garten gießen nicht vergessen.
Das Motorrad gehört auch mal wieder g`scheit bewegt.
Und morgen?
Da fällt uns wieder was anderes ein.

 (2001)


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